Als ich ein Kunstwerk war. Roman by Eric-Emmanuel Schmitt
Autor:Eric-Emmanuel Schmitt [Schmitt, Eric-Emmanuel]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783104013626
Herausgeber: Fischer e-books
veröffentlicht: 2015-08-22T16:00:00+00:00
Das Wiedersehen fiel noch herzlicher aus, als ich mir vorgestellt hatte. Fiona, die für gewöhnlich nur nach vorn sah, aufs Meer oder auf die Leinwand ihres Vaters, Fiona, die sich niemals umwandte, Fiona sah mich schon von weitem kommen. Hielt sie nach mir Ausschau? Erwartete sie mich?
»Papa, da kommt Adam!«
»Ach, Adam, wie schön!«
Die Freude war so überwältigend, daß wir nicht anders konnten, als uns in die Arme zu fallen. Hannibal gab mir zwei herzhafte Schmatzer, während Fiona errötend ihr Gesicht an meines drückte.
»Wie geht es unserem Reisenden?«
»Ich hab genug vom Reisen«, antwortete ich. »Ich möchte nur noch hierherkommen, jeden Tag, und die Welt durch das Fenster Ihrer Leinwand betrachten.«
»Ausgezeichnet, dann mach ich also weiter«, sagte der Landschaftsmaler. »Wir unterhalten uns später.«
Hannibal hatte sich vorgenommen, jenen Augenblick auf der Leinwand festzuhalten, in dem die Luft weder die der See noch die des Landes ist, sondern die Luft des Strandes. Er wollte zweierlei vermeiden, nämlich die Luft der großen Weite zu veranschaulichen, eine leichte Luft, durch und durch Meeresluft, salzig, jodhaltig, azurfarben, und die Luft an Land, eine schwere, gesättigte, von Dunst erfüllte Luft, die nach Sonne riecht, nach Pflanzen und menschlichem Tun, eher Atem als Luft. Er wollte die Luft dazwischen festhalten, die Luft des Strandes, eine Luft für Krebse und Moose, eine Luft, in der zwei Welten sich vereinigen. Mittels einer Mischung aus Grün-, Braun- und Blautönen gelang dies Hannibal, noch bevor es Abend wurde. Fiona und ich freuten uns unbändig.
»Genug der Komplimente«, sagte er und richtete seine schönen blauen, vom Leben matten Augen auf mich. »Reden wir lieber von Adam. Wir haben Zeitung gelesen, Fiona und ich, wir haben die Sache mitverfolgt.«
»Welche Sache?«
»Den Zirkus, den Zeus-Peter Lama in Tokio veranstaltet hat. Er kann es einfach nicht lassen. Wie stehst du dazu?«
»Wie ich dazu stehe?«
»Du wirst mir doch nicht sagen, daß du, auch wenn du für Zeus arbeitest, einer Meinung mit ihm bist. Ich vertraue zu sehr auf deine Sensibilität, um das zu glauben. Wenn du über Malerei sprichst, dann kommst du immer geradewegs zum Wesentlichen.«
»Vielleicht bei Ihrer Malerei. Zu der Kunst von Zeus-Peter Lama hab ich … hab ich ein ganz anderes Verhältnis.«
»Was heißt das?«
»Ich habe dazu keine Meinung. Ich weiß nicht genau, was seine Kunst eigentlich ist. Es ist mir auch einerlei. Mir genügt, daß die anderen es für Kunst halten.«
»Und für dich, ist es für dich Kunst?«
»Es ist vielleicht nicht schön, aber …«
»Nein, das meine ich nicht. Schön oder häßlich, das ist nicht so wichtig, solange es existiert und einen träumen macht. Was, zum Beispiel, hältst du von seiner letzten Skulptur?«
Er lächelte und sah mich auf eine Antwort wartend mit seinen opalblauen Augen an. Ich warf Fiona einen bestürzten Blick zu. Erschrocken über die unerwartete Wendung des Gesprächs, eilte sie mir zu Hilfe.
»Papa, ich glaube, du langweilst Adam.«
»Nein, ich langweile ihn nicht. Ich provoziere ihn, aber langweilen tu ich ihn nicht. Wie beurteilst du seine letzte Skulptur?«
»In welcher Hinsicht …«
»Hast du sie gesehen?«
»Nicht unter diesem Aspekt …«
»Egal, hast du sie gesehen?«
»Ja.«
»Und, was hältst du davon?«
Ich senkte den Kopf und starrte auf den Sand zwischen uns.
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